Der König Kandaules / I
Komposition – Rekonstruktion – Instrumentation

„Alles, was Verliebtes diese Erde schuf, ich wollt’, es sei von mir erschaffen.”
„Der König Kandaules”

Nach den deprimierenden Erfahrungen mit dem von den Nazis abgesetzten „Kreidekreis” konnte Zemlinsky nicht damit rechnen, dass ein deutschsprachiges Theater eine neue Oper von ihm aufführen würde. Dennoch begab er sich in Wien mit Hilfe seiner Frau bald auf die Suche nach einem neuen Stoff. Als Louise ihn 1935 auf André Gides Drama „Le Roi Candaule” (1899) aufmerksam machte, entschloss er sich nach anfänglichem Zögern, das Buch zu komponieren und richtete den Text als Libretto ein. Die Partiturskizze schrieb er zwischen Juni 1935 und Dezember 1936.Die Arbeit an der Instrumentation ging jedoch nur schleppend voran: Die bedrückende politische Situation lähmte seine Schaffenskraft, zudem nahm er noch während der Instrumentation umfangreiche Änderungen am Particell vor.

Als die Familie 1938 aus Wien floh, war erst gut ein Drittel der Orchesterpartitur fertig. In New York legte Zemlinsky große Hoffnungen in die Oper, durch deren Aufführung er sich in der Neuen Welt künstlerisch etablieren wollte. Doch dazu sollte es nicht kommen: Als er das Libretto seinem Freund Arthur Bo-danzky zeigte, der seinerzeit an der Met dirigierte, riet dieser davon ab, die Oper zu vollenden, denn angesichts der im II. Akt vorgesehenen Nackt-szene sei an eine Aufführung vor dem prüden amerikanischen Publikum ohnehin nicht zu denken. Zemlinsky mußte den „Kandaules” aufgeben.

Schon in den 50er Jahren hat seine Witwe den Plan verfolgt, die Instrumentation der Oper ergänzen zu lassen und „einen Komponisten” gefragt, ob er sich dazu in der Lage sähe. Dieser lehnte jedoch ab, und lange Zeit unternahm sie keine weiteren Schritte. 1981 beauftragte sie Friedrich Cerha, dessen Vervollständigung von Bergs „Lulu” 1979 uraufgeführt worden war, die Instrumentation zu ergänzen. Cerha prüfte das Material, lehnte aber mit Hinweis auf das seiner Ansicht nach unvollständige Manuskript ebenfalls ab. Erst 1990 fand sich mit Antony Beaumont ein Musiker, dem es gelang, das vollständige Particell zu rekonstruieren. Im Auftrag der Hamburgischen Staatsoper vollendete er 1992–95 die Instrumentation von Zemlinskys letzter Oper, die am 6. 10. 1996 in Hamburg mit überwältigendem Erfolg uraufgeführt wurde.