Der Opernkomponist / II
Kleider machen Leute – Die Wilde-Einakter

„Er ist in der Oper zu Hause.”
Franz Werfel

Zemlinsky war nicht der Mann für derbe Lustigkeit und schmissige Komik, hatte aber viel Sinn für hintergründigen Humor. So bot ihm Gottfried Kellers Novelle „Kleider machen Leute” mit ihrer Mischung aus Märchen, Satire und überzeichneter Idylle eine ideale Stoffvorlage für seine gleichnamige musikalische Komödie, die er 1907–09 komponierte (Libretto: Leo Feld) und 1910 selbst an der Volksoper uraufführte.

Zemlinsky gelang mit dieser Oper eine der wenigen anspruchsvollen und repertoiretauglichen Komödien seiner Zeit. Die Doppelbödigkeit des Kellerschen Spiels um Schein und Sein spiegelt sich in einer Musik, die Mozart ebenso wie Mahler verpflichtet ist.

Mit den Einaktern nach Oscar Wilde „Eine florentinische Tragödie” und „Der Zwerg” schuf Zemlinsky in Prag die beiden Opern, mit denen er seinen Ruf als einer der versiertesten und vielseitigsten Opernkomponisten seiner Zeit endgültig festigte. Bis heute sind sie seine meistgespielten Bühnenwerke.

„Eine florentinische Tragödie” nach Wildes gleichnamigem Drama ist ein Kammerspiel von größter psychologischer Intensität. Die Oper entfaltet nur eine einzige Situation, die in Zemlinskys Opern häufig anzutreffende Dreieckskonstellation von einer Frau und zwei rivalisierenden Männern. Für die Zwangsläufigkeit, mit der diese Situation in die Katastrophe führt, hat Zemlinsky eine Musik komponiert, die in ihrer erotisierenden Klangfülle an Strauss' „Salome” gemahnt, noch stärker als dort jedoch als eigenständige, das Wort durch feine Zwischentöne ergänzende Schicht funktioniert.

In „Der Zwerg” (1919–21) nach Wildes Novelle „Der Geburtstag der Infantin” weicht das expressionistische Parlando der „Tragödie” wieder einem kantableren Stil, auch greift Zemlinsky wieder mehr auf traditionelle Formen zurück. Doch ist „Der Zwerg” letztlich die modernere Oper, werden doch heterogene Stilschichten hier in einer fast filmischen Technik aneinander geschnitten und überlagert. Zemlinsky gelingen so erschütternde Kontrastwirkungen zwischen der kalt-berechnenden Welt der Prinzessin und dem ergreifenden Schicksal des Zwerges, der Schritt für Schritt in die tödliche Selbst-Erkenntnis getrieben wird.